Was sind Datengenossenschaften?

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Autor

Henning Baars
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik 1

Große und internationale Konzerne treiben die Themen Analytics und Künstliche Intelligenz (KI) mit großen Investitionen voran – es verbleibt hier kaum noch ein Geschäftsprozess oder ein Geschäftsmodell, das von anspruchsvollen Datenanalysen unberührt bleibt. Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) wird es immer schwerer, hier Schritt zu halten. Ein maßgeblicher Grund hierfür ist, dass KMUs nicht die Datenbestände aufbauen können, die für die Entwicklung und den Einsatz von Analytics- und KI-Methoden erforderlich sind. Das betrifft den Umfang der Datenbestände wie auch deren Reichhaltigkeit: Aktuelle KI-Ansätze zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie eine Vielzahl von Parametern und Perspektiven in eine Analyse einbeziehen können und so ganzheitliche Lösungen für einen gegebenen Problemkontext erlauben. Ein einzelnes, spezialisiertes KMU hingegen kann oftmals nur einen Ausschnitt der erforderlichen Daten liefern. Hinzu kommen Fragen der bereitzustellenden Ressourcen. So ist die Beschäftigung von Data Scientists für viele KMUs nur schwer wirtschaftlich zu rechtfertigen.

Es liegt nahe, hier auf das Teilen von Daten mit anderen Unternehmen zu setzen und die entsprechenden Analyseaufgaben zu zentralisieren. Leider erweisen sich entsprechende Vorhaben oft als schwierig und sind selten von Erfolg gekrönt, da zu viele Fragen insbes. hinsichtlich Rollen und Verantwortlichkeiten, Verrechnung und Verwertung, aber auch Vertrauen und Akzeptanz ungeklärt bleiben.

Im Rahmen eines vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg geförderten interdisziplinären und anwendungsorientierten Forschungsprojektes erforschen, entwickeln und erproben das Ferdinand-Steinbeis-Institut, die Lehrstühle für Controlling sowie für Wirtschaftsinformatik 1 der Universität Stuttgart und der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband einen neuen Ansatz für das Teilen und analysieren von Daten über Unternehmensgrenzen, die sog. Datengenossenschaften.

Die Grundidee ist die Gründung einer Genossenschaft, deren Zweck die Schaffung eines gemeinsamen Datenraums ist. Mit einer Genossenschaft wird bewusst eine Rechtsform gewählt, deren expliziter und gesetzlich verbindlich vorgegebener Zweck die Kooperation zum Wohle der Mitglieder ist (GenG §1). Genossenschaften haben zum einen eine lange Tradition, die in Deutschland auf das Genossenschaftsgesetz von 1867 zurückgeht. Etabliert sind insbes. Genossenschaften für die gemeinsame Beschaffung von Gütern (etwa für Landwirte oder Bäcker), für die gemeinsame Produktion und den gemeinsamen Vertrieb (etwa bei Winzern und Weinbauern oder im Holzgroßhandel) oder im Bankwesen (z. B die Volks- und Raiffeisenbanken).

Das Genossenschaftsmodell ist nicht nur im KMU-Umfeld bewährt und beliebt, es bietet als institutioneller Rahmen für das betriebsübergreifende Teilen und Veredeln von Daten auch viele weitere Vorteile: von der Schaffung einer definierten und rechtlich abgesicherten Kooperationsstruktur über die Skalierbarkeit und Offenheit der Mitgliederstruktur, der Etablierung einer neutralen Organisation, die die gemeinsame Datenhaltung und -verwertung verantwortet, bis hin zu dem inhärent mit dem Genossenschaftsmodell verankerten Anspruchs der Zusammenarbeit.

Im Projekt betrachten wir vor allem Datengenossenschaften zum Teilen von (Zustands-) Daten. Diese (Zustands- & Kontext-) Daten werden in den digitalen Abbildern von realen Objekten bereitgestellt.